EU-Militäroperation „Irini“ vor dem Aus
Trotz steigender Migrantenzahlen aus Libyen steht die EU-Militäroperation „Irini“ im Mittelmeer, die zur Durchsetzung eines Waffenembargos der Vereinten Nationen gegen Libyen und zur Bekämpfung verbotener Migration nach Europa eingesetzt wird, voraussichtlich vor dem Aus. Das berichtet die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf mehrere hochrangige EU-Diplomaten.
Libysche Regierung will einladung nicht erneuern
Aus Diplomatenkreisen hieß es, die international anerkannte Regierung der Nationalen Einheit in Libyen sei nach aktuellem Stand nicht mehr bereit, die Einladung zur Fortsetzung der Operation zu erneuern. diese Einladung gilt als Grundlage für das UN-Mandat. Ein Krisentreffen zur Verlängerung des mandats zwischen Vertretern der EU und der libyschen Regierung am 30. Juni verlief laut einem internen Dokument des Europäischen Auswärtigen Dienstes ohne konkrete Fortschritte. Die Regierung der Nationalen Einheit bekräftigte bei dem Treffen ihre Vorbehalte gegenüber einer Verlängerung des Mandats.
Verkürzte Mandatsverlängerung und mögliche Folgen
EU-Diplomaten betonen, dass das UN-Mandat für „Irini“ im Mai 2024 nicht wie bisher für ein Jahr, sondern erstmals nur für sechs Monate bis November verlängert wurde. Dies sei ein Kompromiss gewesen, nachdem die Regierung der Nationalen Einheit zuvor erheblichen Widerstand gegen eine Verlängerung geleistet hatte. Das mögliche Ende der Überwachung und kontrollen durch Satelliten, Schiffe und Flugzeuge könnte laut Diplomaten die Arbeit illegaler Schleuser erleichtern und die Migration von Libyen nach Europa weiter ansteigen lassen.
Hintergrund der Operation „Irini“
Die Militäroperation, an der sich 23 EU-Länder beteiligen, begann im Frühjahr 2020. Federführend bei der Verlängerung des UN-Mandats ist Frankreich. Neben der Durchsetzung des UN-Waffenembargos zur Förderung des Friedens in Libyen und der Bekämpfung illegaler Migration soll die Operation auch illegale Öltransporte verhindern und Schulungen für die libysche Küstenwache und Marine durchführen.
Unklare Gründe für Widerstand gegen Mandatsverlängerung
Die genauen Gründe für den Widerstand gegen eine Verlängerung des UN-Mandats sind laut „Welt am Sonntag“ unklar. EU-diplomaten zufolge könne darüber nur spekuliert werden. Ein möglicher grund sei, dass sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Gegen-Regierung im Osten Libyens von General Khalifa Haftar finanziell vom Menschenschmuggel profitieren. Zudem gibt es offenbar auf beiden Seiten Befürchtungen, bei der Durchsetzung des UN-Waffenembargos benachteiligt zu werden. Beide Konfliktparteien kämpfen um die Kontrolle des Landes und um Einnahmen aus Ölgeschäften.
Mögliche Fortsetzung ohne UN-Mandat
In Brüssel wird diskutiert,die Operation auch ohne UN-Mandat und ohne Einladung der Regierung in Tripolis auf Grundlage eines EU-Beschlusses fortzusetzen. In diesem Fall könnten die Schiffe jedoch nicht in libyschen Hoheitsgewässern operieren, was im Kampf gegen illegale Migration als besonders effektiv gilt. Zudem drohen innerhalb der EU Auseinandersetzungen über die Ausgestaltung eines neuen Mandats. Vor allem Italien strebt eine Ausweitung der Befugnisse zur Kontrolle von Schiffen an.
Migrationslage in Libyen und Auswirkungen auf Europa
Nach Angaben der Vereinten Nationen halten sich derzeit rund 850.000 Migranten und Flüchtlinge in Libyen auf. Seit Juni 2024 sind etwa 90.000 Menschen hinzugekommen. Viele leben unter schwierigen Bedingungen. die Migration aus Libyen hat seit Jahresbeginn zugenommen, besonders betroffen sind Italien und Griechenland. Seit Anfang des Jahres sind mehr als 8.500 Migranten auf der griechischen Insel Kreta angekommen, die meisten stammen aus Ägypten und dem Sudan. Griechenland hat inzwischen einen Asylstopp für migranten aus Nordafrika verhängt. Im Rahmen der Bemühungen gegen die steigende Migration besuchte EU-Migrationskommissar Magnus Brunner gemeinsam mit mehreren EU-Innenministern im Juni Libyen. Rebellenchef Haftar verweigerte jedoch ein Treffen mit den EU-Politikern.