Besorgnis über Chip-Engpass bei Nexperia
Analysten, Politiker und Industrievertreter zeigen sich besorgt über die aktuellen Turbulenzen beim niederländischen Chiphersteller nexperia.Nach einer Analyse des Wiener Start-ups Prewave, das mithilfe künstlicher Intelligenz Risiken in globalen Lieferketten erkennt, könnte die Chip-Knappheit bei Nexperia erhebliche Probleme für große Teile der deutschen und europäischen Industrie verursachen.
Abhängigkeit europäischer Industrien
Laut Prewave nutzen sämtliche führenden europäischen Konzerne in Luftfahrt und Verteidigung Nexperia-Chips aus China. Im Maschinenbau liegt der Anteil nach Angaben von Prewave-Chef Harald Nitschinger bei 95 Prozent, in der Medizintechnik bei 86 Prozent. In der Automobilbranche beziehen 49 Prozent der Unternehmen chinesische Nexperia-Halbleiter.
Prewave analysierte die Lieferbeziehungen von 107 führenden europäischen Konzernen aus sieben Branchen. Über alle Industrien hinweg kaufen 86 Prozent der Firmen Chips aus Nexperia-Standorten in China. die Lagerbestände nehmen ab, nachdem die chinesische Regierung in der vergangenen Woche den Export von Nexperia-Bauteilen untersagt hat. Dies war laut „Handelsblatt“ eine Reaktion auf die Übernahme der Kontrolle bei nexperia durch die Niederlande, um den Technologietransfer an den chinesischen Mutterkonzern Wingtech zu verhindern.
Reaktionen aus Politik und Wirtschaft
Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) äußerte sich besorgt über mögliche Folgen für die automobilbranche. In der Handelsauseinandersetzung zwischen china und den USA gerieten nun auch europäische Autobauer und Zulieferer in eine schwierige Lage, sagte lies dem „Handelsblatt“. Er forderte eine rasche Lösung auf europäischer Ebene, um Produktionsausfälle zu verhindern.
Als mittelfristige Lösung schlug Lies vor, in Europa eigene Kapazitäten für die Produktion von Schlüsselkomponenten wie halbleitern, Batteriezellen und grünen Materialien aufzubauen und strategisch abzusichern. Zudem sollten Partnerschaften mit befreundeten Industriestandorten vertieft werden, um kritische Abhängigkeiten zu verringern.Auch Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) forderte verstärkte Anstrengungen zum Aufbau einer unabhängigen chipindustrie in Europa. Die aktuellen Engpässe in der Automobil- und Zuliefererindustrie zeigten die Fragilität des Systems, sagte Schulze dem „Handelsblatt“. Die EU müsse das Thema zur Chefsache machen.
Bewertung durch Unternehmen und Verbände
BMW-Chefökonom Kai Fournell zeigte sich angesichts eines möglichen Produktionsstopps vorsichtig optimistisch. Man arbeite daran, einen Stillstand zu verhindern, sagte Fournell den Sendern RTL und ntv. Die Situation sei ernst, aber nicht überraschend. BMW setze zur Risikominimierung auf koordinierte Strategien,Lagerbestände und die Zusammenarbeit mit Zulieferern und Politik.
Auch Branchenverbände wie der Verband der Automobilindustrie (VDA), der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) äußerten sich besorgt. Thilo brückner, Geschäftsführer VDMA Electronics, Solar and Battery Production, erklärte dem „Handelsblatt“, dass der Maschinen- und Anlagenbau von der chip-Knappheit betroffen sei, insbesondere bei Verbrennungsmotoren. In elektronischen Motorensteuerungen würden häufig Produkte von Nexperia eingesetzt. Lieferstopps könnten Auswirkungen auf Maschinenbauprodukte wie Stromgeneratoren,Baumaschinen oder landwirtschaftliche Maschinen haben.
Der genaue Umfang des Bedarfs an Nexperia-Chips im Maschinenbau sei derzeit nicht bezifferbar. Es gebe jedoch mehrere potenzielle Anbieter für diese Komponenten. Konkrete Meldungen über drohende Produktionsstopps aus Maschinenbauunternehmen liegen dem VDMA derzeit nicht vor. Da der Chip-Bedarf im Maschinenbau vergleichsweise gering sei,könnten Unternehmen die Situation kurzfristig über Lagerbestände abfedern.
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