Union kritisiert Wehrdienst-Entwurf der Bundesregierung
Schwerwiegende Mängel im Gesetzentwurf
Der für verteidigungs- und Außenpolitik zuständige Unions-Fraktionsvize im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), hat den Entwurf zum Wehrdienstgesetz von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) scharf kritisiert und substanzielle Verbesserungen gefordert. Röttgen bezeichnete das Gesetz als bedeutsam für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und als zentrales Versprechen der Koalition. Die Unionsfraktion könne die schwerwiegenden Mängel nicht akzeptieren und fordere einen tragfähigen Kompromiss, der die Bundeswehr substanziell stärke.
Kritik an fehlenden Zielvorgaben und Zeitplänen
Laut Röttgen ignoriere der Gesetzentwurf, der am 27. August im Kabinett beschlossen werden soll, die sicherheitspolitischen Anforderungen in wesentlichen Bereichen.Ein gravierender Mangel sei das Fehlen von konkreten Nato-Zielen, zu denen sich Deutschland verpflichtet habe. Es gebe keine konkreten Zahlen und Zeitvorgaben,bis wann Deutschland welche Ziele beim aufwuchs der Streitkräfte erreichen müsse. Damit fehle jeder Maßstab, ob Deutschland auf Kurs sei oder nachsteuern müsse.
Personalbedarf der Bundeswehr
Nach Nato-Planungen benötigt die Bundeswehr bis 2035 rund 90.000 zusätzliche Berufs- und Zeitsoldaten, zusätzlich zum jährlichen regenerationsbedarf. Röttgen betonte, dass Meilensteine im Gesetz definiert werden müssten, um den Personalaufwuchs in Jahresscheiben zu unterteilen. Ab 2026 sollten jährlich netto 10.000 weitere Zeit- und Berufssoldaten eingeplant werden. Bei Nichterreichen dieser Ziele müsse entsprechend reagiert werden.
Wehrpflicht und schwedisches Modell
Röttgen warf dem Verteidigungsminister vor, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Orientierung am schwedischen Wehrdienstmodell nur teilweise umgesetzt zu haben.Während das schwedische modell seit 2017 eine automatische Pflicht vorsieht, wenn Jahresziele freiwillig verfehlt werden, setze Pistorius ausschließlich auf Freiwilligkeit, ohne Zielvorgaben oder einen klaren Mechanismus für den Übergang zur Wehrpflicht. Röttgen forderte Nachbesserungen in diesem Punkt.
Sicherheitspolitische Einschätzung und Zeitplan
Röttgen kritisierte, dass Pistorius allein den Vorstellungen der SPD folge. Angesichts der sicherheitspolitischen Einschätzung, dass Russland 2029 kriegsfähig gegenüber der Nato sein werde, könne sich Deutschland keine Zeitverschwendung leisten. Die Sicherheit Deutschlands und der Nato-Partner dürfe nicht der Parteitaktik zum Opfer fallen. Es gehe um eine nationale Selbstverpflichtung, die die Koalition erfüllen müsse.
Wehrpflicht als Instrument der Abschreckung
Die Wehrpflicht sei ein Instrument der Abschreckung und Ausdruck gesellschaftlicher Resilienz und Wehrhaftigkeit. Der gesetzentwurf werde diesem Verständnis laut Röttgen jedoch nicht gerecht. Die geplante Aktivierung der Wehrpflicht erst per exekutivem Rechtsakt im Krisenfall sei problematisch, da dies der sicherheitspolitischen Bewertung widerspreche. Eine Wehrpflicht,die erst bei einer verschärften militärischen Lage aktiviert werde,verliere ihre abschreckende Wirkung und käme zu spät.
Kritik am Zeitplan für die musterung
Die einführung der Musterung wurde vom ursprünglich geplanten Jahr 2028 auf Juli 2027 vorgezogen. Röttgen bezeichnete auch diese Verzögerung als unverständlich, da seit zwei Jahren über den Personalbedarf der Bundeswehr diskutiert werde. Das aktuelle Vorgehen sei sicherheitspolitisch nicht mehr zeitgemäß.
Forderung nach Nachbesserungen
Die Unzulänglichkeiten des Gesetzentwurfs seien für die union nicht tragbar. Röttgen betonte, dass es sich um eine nationale, historische Pflicht handle und keine Zeit mehr für Fehler bleibe. Bis 2029 müsse geliefert werden.
Hintergrund: Personalbedarf der Bundeswehr
Für die Nato-Zusagen wird nach einer ersten Schätzung des Verteidigungsministeriums künftig ein Personalbedarf von rund 460.000 Soldaten erwartet, davon 260.000 aktive Kräfte und 200.000 Reservisten.Bei derzeit rund 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten fehlen somit etwa 90.000 aktive Soldaten.