Kritik an parteipolitischer praxis bei Richterwahlen
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, fordert ein verändertes Vorgehen bei der Auswahl von kandidaten für die Richterposten in Karlsruhe.
Probleme durch parteipolitische Handhabung
Papier erklärte gegenüber der „Rheinischen Post“, das Problem liege nicht in der gesetzlichen Regelung des Wahlvorgangs, sondern in der seit Jahrzehnten eingeführten parteipolitischen Praxis. Ohne gesetzliche Grundlage hätten sich die großen volksparteien CDU/CSU und SPD sogenannte Vorschlagsrechte eingeräumt und diese mit den jeweiligen kleinen Koalitionspartnern FDP und Grünen geteilt. Diese starre Verteilung von Vorschlagsrechten an etablierte Parteien könne so nicht aufrechterhalten werden.
Veränderte Parteienlandschaft und Auswirkungen
Nach Ansicht Papiers entspreche diese Praxis nicht mehr den Realitäten der Zusammensetzung des Parlaments und ignoriere die Veränderungen und Fragmentierungen der deutschen parteienlandschaft. Die Aufrechterhaltung dieser Vorschlagsrechte könne dazu führen, dass die Wahl der Verfassungsrichter in parteipolitische Auseinandersetzungen ausarte. Dies schade dem Ansehen und der Autorität des Bundesverfassungsgerichts.
Vorschlag für ein neues Auswahlverfahren
Papier betonte, die Richterstellen des Bundesverfassungsgerichts seien keine Erbhöfe. Die Parteien sollten auf ihre überkommenen Vorschlagsrechte verzichten. Er schlug vor, dass die zwölf Mitglieder des Wahlausschusses des Bundestages, die nach den Grundsätzen der Verhältniswahl vom Plenum gewählt werden, sich in vertraulicher und sachbezogener Beratung auf Vorschläge einigen, die dann im Plenum zur Wahl gestellt werden. Diese Personalvorschläge des nichtöffentlich beratenden Wahlausschusses würden nicht den Stempel eines formellen Parteikandidaten als Ergebnis eines abgesprochenen Parteiproporzes tragen.
Vertrauliches Verfahren im Wahlausschuss
Papier hob hervor, dass nach der gesetzlichen Regelung jedes Mitglied des Wahlausschusses einen Vorschlag machen könne, der allerdings acht der zwölf Stimmen auf sich vereinen müsse. Die Vertraulichkeit des Verfahrens im Wahlausschuss könne sachbezogene Verständigungen erleichtern und eine öffentliche Diskreditierung von Kandidaten verhindern.