Opposition fordert Untersuchungsausschuss zu Merkels Russland-Politik
Nach neuen Erkenntnissen zur Russland-Politik der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel fordern Oppositionspolitiker einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Im Mittelpunkt stehen dabei Merkels Billigung des Verkaufs deutscher Gasspeicher an den russischen Staatskonzern Gazprom sowie ihr Einsatz für das umstrittene Pipeline-Projekt Nord Stream 2.
Grüne kritisieren mangelnde Transparenz
Der Grünen-vorsitzende Felix Banaszak betonte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, dass ohne eine ernsthafte parlamentarische Aufklärung offene Fragen nicht geklärt werden könnten. Bisherige Anfragen an das Kanzleramt und das Finanzministerium seien seiner Ansicht nach „äußerst dürftig, unbefriedigend und offensichtlich unvollständig beantwortet worden“.
Recherchen der „Süddeutschen zeitung“ zeigen, dass Merkel im Jahr 2015 trotz interner warnungen und der vorherigen Krim-Krise dem verkauf deutscher Gasspeicher an Gazprom nicht entgegengetreten sei. Dies gehe aus internen Unterlagen des Kanzleramts hervor, deren Freigabe die Zeitung juristisch erwirkt hatte. Zudem verdeutlichen die Dokumente, dass Merkel sich im Hintergrund aktiv für das Projekt Nord Stream 2 eingesetzt habe.
Verantwortung für politischen Schaden
Banaszak erklärte, dass die intensive Recherche zu Merkels Engagement für Nord Stream 2 zwei Dinge zeige: Zum einen befänden sich in gut verschlossenen Akten wichtige Erkenntnisse über politische Entscheidungen, die für den größten energie-, wirtschafts- und außenpolitischen Schaden in der Geschichte der Bundesrepublik verantwortlich seien. zum anderen fehle den Verantwortlichen offenbar bis heute die Bereitschaft, für Transparenz zu sorgen. Ohne tiefere Aufklärung werde dem Parlament und der Öffentlichkeit die Möglichkeit genommen, aus diesen Fehlern für die Zukunft zu lernen.
Kritik an Merkels Umgang mit Risiken
Michael Kellner, Grünen-Politiker und ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschafts- und Energieministerium, bezeichnete das „fadenscheinige Kartenhaus vom angeblich privatwirtschaftlichen Projekt Nord Stream“ als endgültig zusammengebrochen.Angela Merkel habe über die Risiken Bescheid gewusst und diese bewusst ignoriert. Dadurch sei sie ihrem Amtseid, Schaden vom Land abzuwenden, nicht gerecht geworden. Kellner kritisierte zudem, dass sich entscheidende akteure der deutschen Politik bis heute nicht von ihrer Fixierung auf russisches Gas gelöst hätten. Er forderte den neuen Kanzler friedrich Merz auf, aktiv zur Aufklärung der Vorgänge beizutragen.
Linke fordert umfassende Aufklärung
Auch die Linke sieht zahlreiche offene Fragen. Der Wirtschaftspolitiker Jörg Cezanne erklärte gegenüber der SZ,dass sich die Übertragung von Gasspeichern an Gazprom rückblickend als dramatischer Fehler erwiesen habe. Eine umfassende Aufklärung der damaligen sicherheits- und energiepolitischen Fehleinschätzungen sei dringend notwendig.
Interne Warnungen ignoriert
Aus den Unterlagen des Kanzleramts geht hervor, dass Merkel bereits am 2. September 2015 schriftlich über einen geplanten Asset-Tausch zwischen BASF/Wintershall und Gazprom informiert wurde. Dabei sollte Gazprom eine Beteiligung am deutschen Gashandel erhalten,während die BASF-Tochter wintershall Anteile an Gasfeldern in Westsibirien bekommen sollte. Obwohl das Kanzleramt intern klare Gefahren erkannte und warnte, dass Gazprom durch die kontrolle wichtiger gasspeicher unmittelbar für die Versorgungssicherheit verantwortlich werde, sah man keine rechtliche Handhabe, das Geschäft zu untersagen. Der Verkauf wurde letztlich vollzogen.
Weiterführender Kontext
Die Diskussion über die energiepolitische Abhängigkeit Deutschlands von Russland hat sich insbesondere nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Jahr 2022 verschärft. Die Rolle Angela Merkels und ihrer Regierung bei der Förderung von Projekten wie Nord Stream 2 steht seitdem zunehmend im Fokus der politischen debatte. Der nun geforderte Untersuchungsausschuss könnte weitere Hintergründe und Verantwortlichkeiten klären und politische Konsequenzen für zukünftige energiepolitische Entscheidungen nach sich ziehen.