Brief an EU-Kommission: Reiche und Urso fordern Aufweichung des Verbrenner-Aus
Forderung nach flexibleren CO2-Flottengrenzwerten
Die Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und ihr italienischer Amtskollege Adolfo Urso (Fratelli d’Italia) haben die Europäische Kommission in einem gemeinsamen Brief aufgefordert, die CO2-Flottengrenzwerte für Neuwagen sowie das geplante Aus für Verbrennungsmotoren zu lockern. Das Vorgehen wurde offenbar nicht mit der SPD abgestimmt.
Vorschläge zur Überarbeitung der Vorschriften
In dem Schreiben,über das der newsletter „Industrie und Handel“ des Nachrichtenmagazins „Politico“ berichtet,schlagen Reiche und Urso vor,die CO2-Flottenvorschriften zu überarbeiten und zusätzliche Flexibilität einzuführen,um unverhältnismäßige Strafen zu vermeiden. Sie fordern,dass neben batterieelektrischen Fahrzeugen auch andere emissionsarme und emissionsfreie Fahrzeuge über das jahr 2035 hinaus anerkannt werden.
Lebenszyklusmodell für Emissionsberechnung
Ein weiterer Vorschlag betrifft die Methode zur Berechnung der Emissionen von Autos. Statt wie bisher nur die Abgasemissionen zu berücksichtigen, solle der gesamte Lebenszyklus eines Fahrzeugs – von der Produktion der Autoteile bis zur Nutzung – in die Kalkulation einfließen. Nach diesem Modell hätten Elektroautos aufgrund der ressourcenintensiven Batterieproduktion eine schlechtere bilanz als bei der reinen Betrachtung der Abgasemissionen. Insgesamt gelten Elektroautos unter beiden Modellen als klimafreundlichste Lösung. Das Lebenszyklusmodell bietet jedoch geringere Anreize für einen Umstieg als die bisherige Berechnungsmethode.
Kritik aus der SPD und dem Umweltministerium
Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Sebastian Roloff, und der umweltpolitische Sprecher, Jakob Blankenburg, erklärten gegenüber dem Nachrichtenmagazin, dass sie von dem Schreiben im Vorfeld keine Kenntnis hatten. Sie erwarten, dass industrie- und klimapolitische Fragen innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden und keine Alleingänge erfolgen.
Auch das SPD-geführte Umweltministerium verwies auf laufende Verhandlungen. Ein Sprecher des ministeriums betonte gegenüber „Politico“, dass der Brief nicht die Haltung der gesamten Bundesregierung wiedergeben könne. Reiche habe lediglich für ihr Ressort gesprochen, hieß es auch aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums.
Hintergrund: EU-Flottengrenzwerte und Klimaziele
Nach den aktuellen Flottengrenzwerten dürfen alle in der EU zugelassenen Neuwagen eines Herstellers durchschnittlich 93,6 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Dieser wert wird schrittweise auf null Gramm pro Kilometer abgesenkt, wodurch der Verkauf neuer Verbrennungsmotoren ab 2035 verhindert wird.
Die Flottengrenzwerte sind Teil des „Fit-for-55″-Pakets der EU,das darauf abzielt,den Klimawandel auf etwas über zwei Grad Celsius zu begrenzen. Der Internationale Gerichtshof hat kürzlich klargestellt, dass Staaten bei einer Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze zu Schadensersatz verpflichtet werden können.