Bundesbankpräsident Nagel kritisiert Reformtempo in EU und Eurozone
Bundesbankpräsident Joachim Nagel zeigt sich unzufrieden mit dem Veränderungstempo in der Europäischen Union und in der Eurozone. Er verwies dabei insbesondere auf aus seiner Sicht fehlende Fortschritte bei der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sowie bei der europäischen Banken- und Kapitalmarktunion.
Kritik an schleppender Umsetzung des Draghi-Berichts
Nagel erinnerte daran, dass der Bericht des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa seit mehr als einem Jahr vorliege. „Der Draghi-Bericht zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit liegt seit über einem Jahr vor, aber ich kann nicht erkennen, dass wir substanziell vorangekommen sind“, sagte er dem „Stern“.
Die probleme seien erkannt, vieles hänge jedoch im politischen Prozess fest. „Da muss mehr passieren“, so Nagel. Die reformfortschritte,etwa beim Projekt der europäischen Banken- und Kapitalmarktunion,bezeichnete er als „traurig“.
Hinweis auf Bürokratie und langsame Entscheidungsstrukturen
Als Hauptprobleme der EU nannte Nagel eine umfangreiche Bürokratie und langsame Entscheidungsstrukturen. „Wir haben uns zu lange den Luxus geleistet, dass die Dinge in Europa eben länger gedauert haben. Das geht nicht mehr“, sagte er. Für künftige Reformvorhaben forderte er „klare Vorgaben durch die Politik und einen verbindlichen Zeitplan“.
Forderungen an die Bundesregierung
Mit Blick auf die bundesregierung verlangte Nagel ein Gesamtkonzept für Reformen. „wir Deutschen sind gut in der Analyse, aber wir müssen dramatisch besser werden in der Umsetzung“, sagte er dem „Stern“.
Positiv bewertete er, dass Bewegung in den wochenlangen Koalitionsstreit um die Rente gekommen sei. „Da muss jetzt ein Momentum entstehen.Wir haben keine Zeit mehr für Untätigkeit“, erklärte Nagel.
Vorschlag zur Kopplung des Renteneintrittsalters an Lebenserwartung
Anstieg des Renteneintrittsalters bis 2070
konkret sprach sich Nagel dafür aus, das Renteneintrittsalter ab dem Jahr 2031 an die Lebenserwartung zu koppeln. „Wenn diese wie erwartet weiter steigt, dann könnte das Renteneintrittsalter bis 2070 schrittweise auf etwa 69 Jahre steigen“, sagte er.
Als Grund für eine solche Reform nannte er die demografische Entwicklung und den erwarteten Verlust von Millionen Arbeitskräften, die in den kommenden Jahren in den Ruhestand gingen. „Um das abzumildern, werden wir mehr arbeiten müssen“, fügte Nagel hinzu.
Reform der privaten Altersvorsorge und umfassende Reformagenda
Darüber hinaus forderte der Bundesbankpräsident eine Reform der privaten Altersvorsorge. Hier müssten Union und SPD „neu ansetzen und die Fehler der Vergangenheit vermeiden“.Es lägen bereits ausreichend Reformvorschläge vor,um nun zügig Beschlüsse fassen zu können.
Insgesamt brauche Deutschland nach Ansicht Nagels eine umfassende Reformagenda. Diese solle die öffentliche Verwaltung, die Energieversorgung sowie die Bereiche Gesundheit und Pflege umfassen. Oberstes Ziel müsse sein, die Belastungen für Unternehmen und Beitragszahler zu senken und das Wirtschaftswachstum in Deutschland zu stärken.










