Kritik an Vorschlag für gesellschaftliches Pflichtjahr
Sozialverband Deutschland betont Freiwilligkeit
Der Vorschlag von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) für ein gesellschaftliches Pflichtjahr stößt beim Sozialverband Deutschland (SoVD) und der Opposition auf Kritik. Der SoVD bewertet freiwilliges soziales Engagement als wertvoller als ein verpflichtendes Jahr. Die Vorstandsvorsitzende des SoVD, Michaela Engelmeier, erklärte gegenüber der „Rheinischen Post“, dass freiwillige Tätigkeiten oft mit mehr Engagement ausgeübt würden als Aufgaben, die als Pflicht empfunden werden. Der Staat solle daher mehr motivieren als verpflichten.
Engelmeier äußerte zudem Sorge über die aktuellen Kürzungen beim Bundesfreiwilligendienst. Diese Zeit präge junge Menschen, und rund 70 Prozent könnten sich im Anschluss eine Tätigkeit im sozialen Bereich vorstellen. Kürzungen in diesem Bereich seien angesichts des Fachkräftemangels problematisch. Bei einer Reduzierung der Plätze würden vor allem bedürftige betroffen sein.
Auch die Einbeziehung von Rentnern in ein Pflichtjahr sieht Engelmeier kritisch. Sie betonte, dass solidarisches Verhalten für alle Generationen gelten solle. Wer jedoch nach mehr als 40 Jahren Erwerbstätigkeit in Rente gehe, habe bereits eine große Lebensleistung erbracht. Viele Senioren engagierten sich auch im Ruhestand ehrenamtlich. Dies sollte gewürdigt und zur nachahmung motiviert, aber nicht zur Pflicht gemacht werden.
Opposition lehnt Pflichtjahr ab
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, sprach sich ebenfalls gegen das gesellschaftliche Pflichtjahr aus. Sie betonte, dass für verpflichtende Modelle eine Grundgesetzänderung notwendig wäre. Stattdessen setze ihre Fraktion auf Freiwilligkeit.Die bestehenden Freiwilligendienste sollten gestärkt und für mehr Engagement in sozialen und ökologischen Bereichen,beim Technischen Hilfswerk oder der Feuerwehr geworben werden.
Haßelmann sieht großes Potenzial, freiwillige kräfte zu gewinnen, insbesondere in der Bundeswehr, die als Arbeitgeber attraktiver werden müsse. Eine ambitionierte Freiwilligkeitsstrategie sei der richtige Weg, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.
SPD sieht keine Mehrheit für Pflichtjahr
Auch die SPD sieht derzeit keine Möglichkeit für die Einführung eines gesellschaftlichen Pflichtjahres. Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese erklärte gegenüber der „Rheinischen Post“, dass eine verpflichtende Einführung eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erfordere. Diese sei jedoch absehbar nicht erreichbar. Daher solle der Fokus auf realisierbare Maßnahmen gelegt werden,wie etwa einen freiwilligen Wehrdienst mit finanziellen Anreizen von bis zu 2.300 Euro netto pro Monat.
linke lehnt Grundgesetzänderung ab
Linken-chef Jan van Aken hatte bereits am Morgen gegenüber den sendern RTL und ntv einer Grundgesetzänderung für Pflichtdienste eine Absage erteilt. Eine notwendige zweidrittelmehrheit im Bundestag wäre nur mit Zustimmung der AfD neben den Regierungsfraktionen von Union und SPD möglich.