Studie untersucht Immunreaktion auf unheimliche virtuelle menschen
Unheimliche virtuelle Menschen lösen aufgrund ihres abweichenden Aussehens eine Immunantwort aus. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag vorgestellte Studie der Universität Hamburg.
Uncanny Valley effekt und virtuelle Agenten
Der sogenannte „Uncanny Valley Effekt“ beschreibt, dass menschenähnliche Roboter oder digitale Charaktere, sogenannte „virtual agents“ (VA), bei Testpersonen ablehnende Reaktionen hervorrufen können. Dies tritt insbesondere dann auf, wenn die künstlichen Abbilder als unheimlich oder seltsam empfunden werden. Gründe hierfür können unstimmige Proportionen oder eine unnatürliche Körperhaltung sein.
Messung der Immunantwort
Die Wissenschaftler der Universität Hamburg konfrontierten Testpersonen in einer virtuellen Umgebung mit humanoiden VA und maßen anschließend die Konzentration des sekretorischen Immunglobulins A (slgA) im Speichel. dieser Antikörper dient als Indikator für die Immunaktivität einer Person. Die Forscher stellten fest, dass das Immunsystem auf VA mit abweichendem Aussehen mit einer erhöhung des slgA-Spiegels reagiert.
Vergleich mit anderen virtuellen Agenten
Die slgA-Immunreaktion auf die „unheimlichen VA“ wurde mit veränderungen der slgA-Konzentration nach dem Kontakt mit optimierten, menschlicher wirkenden VA sowie einfachen Cartoon-VA verglichen. In diesen Testszenarien konnte keine Steigerung der Immunantwort im Speichel festgestellt werden.
Pathogen-Vermeidungs-Hypothese
Laut Esther Diekhof, Leiterin der Arbeitsgruppe Neuroendokrinologie am Fachbereich Biologie, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die menschliche Wahrnehmung abweichende äußere merkmale auch bei virtuellen Abbildern als potenzielle Bedrohung für die Gesundheit interpretiert.Dies unterstützt die sogenannte Pathogen-Vermeidungs-Hypothese als mögliche Erklärung des Uncanny Valley Effekts. Abweichende Merkmale würden demnach fälschlicherweise als Anzeichen einer Erkrankung angesehen und das Immunsystem bereite sich darauf vor, eine Ansteckung zu verhindern.Dies könnte ein Grund für die Ablehnung und Vermeidung der „unheimlichen VA“ sein.
Unbewusste Immunreaktion
In ergänzenden Fragebögen, in denen die 66 Testpersonen sowohl das Aussehen der virtuellen Kontakte als auch die eigenen Empfindungen bewerteten, zeigten sich keine großen unterschiede in der bewertung der drei VA-Gruppen. Das Forschungsteam schließt daraus, dass die Immunantwort unbewusst abläuft. Das Gehirn leite aus den optischen Informationen automatisch eine potenzielle Gefahr ab und aktiviere vorsorglich das Immunsystem.
Fokus auf äußere Merkmale
Eine vergleichbare Immunreaktion wurde bereits nachgewiesen, wenn die virtuelle Kontaktperson nieste und damit eindeutig symptomatisch war. In der aktuellen Studie standen jedoch ausschließlich leichte Abweichungen im äußeren Erscheinungsbild,insbesondere im Mund- und Augenbereich,im Mittelpunkt.
Virtuelle Umgebung und Immersion
Die Probanden sollten sich in einer möglichst realistischen virtuellen Umgebung den „virtual agents“ nähern und für längere Zeit direkten Augenkontakt aufnehmen. Die Aufgabe, die seltsam aussehende virtuelle Kontaktperson zum Lächeln zu bringen, machte es unmöglich, ihnen aus dem Weg zu gehen oder Abstand zu halten.Frank Steinicke, Leiter der Arbeitsgruppe Mensch-Computer-Interaktion am Fachbereich Informatik, betonte, dass eine als glaubhaft erlebte virtuelle Realität die wahrgenommene gesundheitliche Bedrohung durch seltsam aussehende „virtual agents“ verstärken kann. Die Ergebnisse zeigten einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Anstieg des slgA-Spiegels und dem empfundenen Eintauchen in die Situation.