Kritik an monatelanger vakanz an der Spitze des Verfassungsschutzes
Seit neun Monaten ist der Chefposten beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln unbesetzt. Die Vizepräsidenten Silke Willems und Sinan Selen führen den Inlandsnachrichtendienst derzeit kommissarisch.
Stimmen aus dem Umfeld des Verfassungsschutzes
Der ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hansjörg geiger, äußerte gegenüber der „Welt am Sonntag“ sein Erstaunen darüber, dass die Position des Präsidenten noch nicht neu besetzt wurde. Geiger betonte, dass die beiden Vizepräsidenten ihre Aufgaben gut erfüllten.Thomas Haldenwang war am 13. November des vergangenen Jahres als Präsident abgelöst worden, nachdem er für die CDU im Wahlkreis Wuppertal in den Bundestag einziehen wollte. Dieser Versuch blieb jedoch erfolglos.
Ein mit dem Bundesamt vertrauter Beamter zeigte sich gegenüber der Zeitung besorgt über die anhaltende vakanz. Er bezeichnete es als verstörend, dass die Stelle weiterhin unbesetzt sei, insbesondere in einer Zeit, in der Sicherheit und Demokratie als gefährdet gelten.dem Amt fehle eine klare Führung und Vision. Die vizepräsidenten hätten nach Einschätzung des Beamten nicht ausreichend Einfluss,um die Interessen der Behörde in personellen,finanziellen und gesetzgeberischen Fragen angemessen zu vertreten.
Auch ein ehemaliger Leiter eines Landesverfassungsschutzes äußerte sich kritisch zur Situation. Er bezeichnete es als nicht nachvollziehbar, dass das Spitzenamt einer der wichtigsten Sicherheitsbehörden so lange unbesetzt bleibe.Dies sei ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Reputationsverlust für das Amt sei bereits eingetreten und nehme mit fortschreitender Dauer der Vakanz weiter zu.
Positionen aus Politik und Regierung
Innerhalb der Regierungskoalition laufen weiterhin Verhandlungen über die Neubesetzung der Leitung des Bundesamts für Verfassungsschutz. Das Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage der „Welt am Sonntag“ mit, dass Bundesinnenminister Dobrindt zu gegebener Zeit über die Nachfolge entscheiden werde. weitere Angaben zur möglichen Nachbesetzung oder zur Dauer des Verfahrens machte das Ministerium nicht.
Stephan Kramer, Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, zeigte Verständnis für die andauernde Suche nach einem Nachfolger für Haldenwang. Er betonte, dass Qualität vor Schnelligkeit gehe und der Minister im Ergebnis hoffentlich eine gute Personalentscheidung treffe. Gerüchte über mögliche Kandidaten gebe es bereits seit Wochen. In schwierigen Zeiten sei keine Zeit für Probeläufe.
Reaktionen aus der SPD
Bei der Besetzung der Stelle muss Innenminister Dobrindt Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD nehmen. Die sicherheitspolitischen Sprecher der SPD äußern sich zurückhaltend. Sebastian Fiedler, innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erklärte, die neue Regierung sei noch keine 100 Tage im Amt und werde sicher bald eine Personalentscheidung treffen. Bis dahin werde das Amt weiterhin in bewährter Weise durch die Vizepräsidenten geführt. Sonja Eichwede, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Überwachung der Nachrichtendienste, betonte, das Bundesamt sei voll arbeitsfähig. Die Vizepräsidenten hätten hierzu einen großen Beitrag geleistet.