Besonders umstritten ist dabei die Möglichkeit sogenannter Erkennungsanordnungen, die auch verschlüsselte Kommunikation betreffen könnten. In diesem Fall würden Nachrichten vor der Verschlüsselung direkt auf den Geräten der Nutzer geprüft (Client-Side-Scanning). Kritiker sehen darin eine Schwächung sicherer Kommunikation und einen Eingriff in Grundrechte.
Streit um Eingriff in verschlüsselte Chats
Während die Befürworter des Entwurfs auf besseren Kinderschutz und eine effektivere Strafverfolgung pochen, warnen Fachleute und Datenschutzorganisationen vor weitreichenden Konsequenzen. Sie kritisieren, dass ein solcher Ansatz einer Massenüberwachung gleichkäme und das Vertrauen in digitale Kommunikation untergrabe.
Auch große Kommunikationsdienste äußern deutliche Bedenken.
WhatsApp-Chef Will Cathcart sagte dem SPIEGEL:
„Der jüngste Vorschlag der EU-Präsidentschaft untergräbt weiterhin die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und gefährdet damit die Privatsphäre und Sicherheit aller.“
Er betonte, diese Einschätzung werde von Experten aus über 30 Ländern geteilt.
„Wir fordern die EU-Länder nachdrücklich auf, sich für mehr Sicherheit für ihre Bürger einzusetzen und diesen Vorschlag abzulehnen“,
so Cathcart weiter.
Auch der Schweizer Messenger-Dienst Threema positioniert sich klar gegen die geplante Regelung. Ein Sprecher erklärte gegenüber netzpolitik.org:
„Wie man im physischen Raum vertrauliche Konversationen führen kann, sollte das nach unserem Verständnis auch online möglich sein.“
Das Unternehmen sei gegen jede Form von Massenüberwachung. Diese sei, so Threema weiter,
„kein taugliches Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung“
und völlig unvereinbar mit demokratischen Grundsätzen.
Keine einheitliche Linie unter den EU-Staaten
Politisch liegt die Entscheidung aktuell beim Rat der EU-Mitgliedstaaten. Eine Debatte mit möglicher Abstimmung ist für den 13. und 14. Oktober 2025 vorgesehen. Das Europäische Parlament hat bereits eine eigene Position beschlossen; im Rat gab es bislang keine Einigung.
Nach Informationen aus mehreren EU-Quellen besteht derzeit keine klare Mehrheitslage. Staaten wie Österreich, Belgien, Tschechien, Finnland, die Niederlande, Polen, Luxemburg und teils auch Deutschland äußern Bedenken gegenüber dem aktuellen Entwurf. Andere Länder, darunter Frankreich und Spanien, unterstützen die Vorschläge in Teilen.
Mehrere Regierungen – darunter Italien, Schweden, Lettland – gelten derzeit als unentschlossen.
Deutschland ohne offizielle Position
In der öffentlichen Wahrnehmung ist häufig der Eindruck entstanden, Deutschland lehne den Entwurf ab. Tatsächlich gibt es jedoch keine offizielle, festgelegte Position der Bundesregierung.
Das federführende Bundesinnenministerium und das Bundesjustizministerium haben bislang keine einheitliche Linie formuliert. Während sich Teile der Bundesregierung kritisch äußern, steht eine endgültige Haltung noch aus. Damit zählt Deutschland aktuell zu den Staaten, die sich noch nicht eindeutig festgelegt haben.
Wie es weitergeht
Sollte der Rat Mitte Oktober eine qualifizierte Mehrheit erreichen, würden die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament in die nächste Phase treten. Kommt es dagegen zu keiner Einigung, könnte die Abstimmung erneut verschoben werden.