Ex-Wehrbeauftragter Bartels fordert Rückkehr zur Wehrpflicht
Der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels hat Union und SPD eindringlich davor gewarnt,mit neuen Wehrdienst-Modellen zu experimentieren. Angesichts der aktuellen Spannungen mit Russland sieht Bartels keine Alternative zur wiedereinsetzung der Wehrpflicht für Männer. „Das Erfordernis der stunde ist, die Wehrpflicht wiederaufleben zu lassen“, sagte der SPD-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“.
Kritik an Losverfahren und hybriden Modellen
Bartels äußerte sich kritisch zu einem von Fachpolitikern von Union und SPD erarbeiteten Kompromissmodell, das ein Losverfahren vorsieht. Nach Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“ soll es zwar kein Losverfahren für die Musterung aller jungen Männer geben, wie es Verteidigungsminister Boris Pistorius vorgeschlagen hat. Vorgesehen ist jedoch eine verpflichtende Musterung für alle 18-jährigen Männer eines Jahrgangs. Sollte sich nicht genügend Freiwillige für den Wehrdienst melden, könnte ein Losverfahren greifen, um junge Männer zu verpflichten. Auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch hat sich für dieses Modell ausgesprochen.
Bartels rät davon ab: „Mit der Freiwilligkeit ist seit 2011 herumexperimentiert worden. Wir sollten jetzt nicht auch noch jahrelang mit hybriden Wehrdienst-Modellen experimentieren.“ Er erinnerte daran, dass auch zu Zeiten des Kalten Krieges weniger als 50 Prozent eines Jahrgangs für die Bundeswehr benötigt wurden. Die Aussetzung der Wehrpflicht sei nicht wegen mangelnder Wehrgerechtigkeit erfolgt, sondern durch einen Beschluss von Union und FDP im Bundestag.
Wehrpflicht und Personalbedarf
Bartels erklärte, dass heute etwa 200.000 männliche deutsche Staatsbürger eines Geburtsjahrgangs gemustert werden könnten. Um die Nato-Ziele zu erfüllen, würden davon etwa 70.000 Rekruten pro Jahr benötigt. Ein Teil würde ausgemustert, ein Teil verweigern, sodass die notwendige zahl erreicht werden könnte. „Das Thema Wehrgerechtigkeit wäre da wirklich nicht unser Hauptproblem“, so Bartels.
Das Ziel müsse heute eindeutig die Rückkehr zur Wehrpflicht sein, betonte Bartels insbesondere mit blick auf die SPD. Im Übergang könne in den kommenden Jahren noch das Prinzip „freiwilligkeit first“ gelten. Die Personalstärke der Bundeswehr müsse jedoch rasch erhöht und verlässlich planbar sein.
Kritik an geplanter wehrdienstzeit
Der Militärhistoriker Sönke Neitzel von der Universität Potsdam hält die von Verteidigungsminister pistorius geplante freiwillige Wehrdienstzeit von sechs Monaten für zu kurz. Um Wehrpflichtige kampffähig zu machen, sei mindestens ein Jahr notwendig, sagte Neitzel dem „redaktionsnetzwerk deutschland“.
Wehrdienstleistende würden nach den aktuellen plänen nicht ins Feldheer, sondern ins Territorialheer versetzt, beispielsweise zum Schutz der Rheinbrücken in Koblenz. Nach nur sechs Monaten Dienstzeit seien sie im Feldheer nicht sinnvoll einsetzbar. Neitzel sprach sich daher für eine Auswahlwehrpflicht und eine Dienstzeit von mindestens einem Jahr aus. Nur so könnten Soldaten ausreichend ausgebildet werden, um auch an der Ostflanke eingesetzt zu werden. Das Feldheer müsse personell verstärkt werden.
Im Kalten Krieg habe es jährlich 240.000 Wehrpflichtige gegeben, die im Ernstfall hätten kämpfen müssen. Neitzel betonte, dass im falle eines Krieges alle, die eine Uniform tragen, auch kämpfen müssten.
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