Peer Steinbrück fordert umfassende Reform des sozialstaats
Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hält eine umfassende Reform des Sozialstaats in Deutschland für notwendig. Dem Normenkontrollrat zufolge gebe es 170 steuerfinanzierte Sozialleistungen, das Ifo-Institut komme in einer anderen Abgrenzung sogar auf 500 Leistungen, sagte Steinbrück der „Süddeutschen Zeitung“. Dies führe aus seiner Sicht zu Absurditäten.
Vorschläge zur neuordnung der Sozialleistungen
Nach Auffassung Steinbrücks sollte das System von der Einzelfallgerechtigkeit hin zu einer Pauschalierung von Regelleistungen weiterentwickelt werden. Diese Regelleistungen müssten zusammengeführt und über eine bundesweite digitale Plattform abgewickelt werden.
Forderung nach Staatsmodernisierung
Zusätzlich verlangt Steinbrück eine umfassende Modernisierung des Staates. Der „Maschinenraum“ des Staates müsse renoviert, die Digitalisierung vorangetrieben und der Bürokratieabbau betrieben werden, sagte der 78-Jährige.Zudem müsse die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch eine bessere Rahmensetzung gestärkt, die Infrastruktur modernisiert und die Bildung stärker gefördert werden.
Bewertung des Digitalministers und Kritik an der Bundesregierung
Deutschlands ersten Digitalminister Karsten Wildberger bezeichnete Steinbrück als „große Bereicherung des Kabinetts“. Was Wildberger bislang gemeinsam mit den Ländern vorgelegt habe,sei „insgesamt das Weitreichendste,was wir in Deutschland in den letzten zehn Jahren erlebt haben“. Insgesamt fehle es der aktuellen Regierung nach Einschätzung Steinbrücks jedoch an Konfliktfähigkeit. Sie knicke vor der lautstarken Empörung einzelner gruppen zu eilfertig ein, sagte er.
Erwartungen an die Koalition aus union und SPD
Gleichzeitig sieht Steinbrück die Koalition aus Union und SPD zum Erfolg verpflichtet. Unabhängig von Parteisympathien gebe es ein massives Interesse daran, dass diese Koalition der Erosion des Vertrauens in die staatliche Handlungs- und Funktionsfähigkeit rasch entgegenwirke. Andernfalls drohe ein Demokratieproblem, so Steinbrück.
Besonders Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sieht er in der Verantwortung. „Einen anderen Kanzler können wir uns nicht backen“, sagte Steinbrück. Es müsse „von vorne geführt“ werden.
Bewertung des Standorts Deutschland
Steinbrück äußerte sich zudem zum Wirtschaftsstandort Deutschland. Er kritisierte eine aus seiner sicht verbreitete Lust daran, Deutschland schlechtzureden. Die Abgesänge auf den Standort gingen ihm auf die Nerven, sagte er. Wenn einzelne Unternehmer laut über Auswanderung nachdächten, stelle sich für ihn die Frage, wohin sie denn wollten.
Deutschland verfüge weiterhin über eine hohe industrielle und technologische Kompetenz, gut ausgebildete Fachkräfte und eine vielfältige Forschungslandschaft.Zudem sei die Bundesrepublik ein demokratisch verfasster Rechtsstaat und nach wie vor die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Die Korruption sei gering, es gebe global agierende Unternehmen, einen leistungsstarken Mittelstand und eine Sozialpartnerschaft, die Stabilität gebe. Man müsse aufpassen, das Land nicht „in den Abgrund zu reden“, sagte Steinbrück.











