Schweiz könnte sich verstärkt der EU zuwenden
Der Schweizer Publizist Roger de Weck erwartet, dass sich die traditionell EU-skeptischen Schweizerinnen und Schweizer infolge der US-Zollpolitik unter Donald Trump künftig stärker der Europäischen Union zuwenden werden.In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ äußerte de Weck die Einschätzung, dass es bei einer Volksabstimmung über das aktuelle Vertragspaket zur Sicherung der bilateralen Beziehungen zwischen der schweiz und der EU eine mehrheitliche Zustimmung geben werde.
Außendruck fördert Zusammenhalt
de Weck betonte, dass die Schweiz angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage gut beraten sei, ihre Beziehungen zur EU zu stärken. „Die Schweiz wäre von allen guten Geistern verlassen, mit der EU zu brechen, wo auf die USA kein Verlass ist“, sagte er. Er verwies auf die Herausforderungen durch ein zunehmend autoritäres Amerika, ein totalitäres China und ein diktatorisches russland.Zudem sei Europa von einer instabilen Region umgeben, die sich von der Ukraine über den Kaukasus, die Türkei und den Nahen Osten bis nach Nordafrika erstrecke. Der äußere Druck stärke den inneren Zusammenhalt, so de weck. Dies habe sich bereits während des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz gezeigt und gelte auch heute für Europa und die Schweiz. „Die Schweiz mag insular ticken – eine Insel ist sie nicht“, so de Weck.
EU als verlässlicher Partner
Nach Ansicht de Wecks könne die Schweiz in der aktuellen Weltlage nicht im Alleingang bestehen. sie sei auf verlässliche Partner angewiesen, und diese Rolle könne nur die EU übernehmen. „Sie steht zur liberalen Demokratie, und sie erfüllt ihre Vertragspflichten. Diese EU macht 60 Prozent unseres Handelsvolumens aus: pro Werktag eine Milliarde Franken“, erklärte der frühere Generaldirektor des Schweizerischen Radios und Fernsehens (SRF).
Kritik an Schweizer Neutralität
De weck äußerte sich auch kritisch zur Schweizer Neutralität und bezeichnete sie als „identitätsstiftende Lebenslüge“. Die Sicherheit der Schweiz hänge seiner Ansicht nach von der NATO ab. „Solange die Europäer Trittbrettfahrer der Amerikaner sein durften, war allen egal, dass auch die schweizer Armee verkam; die Verteidigungsausgaben betragen 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung und sollen bis 2032 auf ein Prozent steigen. Die Schweiz also war der Trittbrettfahrer der Trittbrettfahrer. doch wo heute die Europäer für ihre Sicherheit selbst aufkommen müssen, werden sie das helvetische Parasitentum nicht ewig hinnehmen“, so de Weck.
Rolle der Schweizerischen Volkspartei
Für die Annahme, dass die Schweiz in den Zollverhandlungen mit den USA unter Donald Trump besser abschneiden würde als die EU, macht de Weck die Schweizerische Volkspartei (SVP) mitverantwortlich. diese sei in ihrer Haltung den US-Republikanern ähnlich. „Allerdings hatten unsere Superschweizer von der SVP eins nicht auf dem Radar: Nationalisten à la Trump nehmen keine Rücksicht auf die Nationalisten anderer Nationen“, sagte de Weck.