Finanzlage Saarbrückens: Steigende Belastungen und strukturelles Defizit
Die Landeshauptstadt Saarbrücken steht vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. Trotz eines bundesweiten kommunalen Gesamtdefizits von 24,8 Milliarden Euro im Jahr 2024 und eines erwarteten höheren Minus für 2025 investiert die Stadt weiterhin in Bildung,Stadtentwicklung,klimaschutz,Infrastruktur,Kultur und sozialen Zusammenhalt.
Die Haushaltsbelastungen der Stadt sind nach Angaben der Verwaltung weitgehend durch gesetzliche Vorgaben bestimmt. Für Saarbrücken besonders relevant sind steigende Sozialausgaben, höhear Personalkosten, Defizite im Klinikum und eine unzureichende Deckung durch Schlüsselzuweisungen.
Explodierende Sozialausgaben und steigende Personalkosten
Über die Regionalverbandsumlage steigen die Sozialausgaben deutlich. Für das Jahr 2026 werden 230,5 Millionen Euro veranschlagt,ein Plus von 15 Prozent. Seit 2022 entspricht dies einem Zuwachs von 68 Millionen Euro oder 41 Prozent.Parallel dazu erhöhen historische Tarifsteigerungen den Personalaufwand. Für 2026 sind 196,7 Millionen Euro vorgesehen. Seit 2022 ist dies ein Anstieg um 48 Millionen Euro oder 32 Prozent, wovon 22 Millionen Euro allein auf Tarifsteigerungen zurückgehen.
Defizitausgleich für Klinikum und unzureichende Erträge
Das Klinikum Saarbrücken wird nach Angaben der Stadt jährlich durch den Haushalt gestützt. Für 2026 ist ein Defizitausgleich von 15,4 Millionen Euro eingeplant. Seit 2020 summiert sich der städtische Beitrag auf rund 60 Millionen Euro.
Im Ergebnishaushalt ergibt sich ein defizit von 75,5 Millionen Euro. Ohne eine Anpassung der Grundsteuer würde dieses defizit 87,7 Millionen Euro betragen. Die Schlüsselzuweisungen des landes liegen 2026 bei 121,5 Millionen euro und steigen damit nur um 0,5 Prozent.Die Lücke zur Regionalverbandsumlage beläuft sich auf 109 Millionen Euro.
Neuverschuldung und strukturelle Unterfinanzierung
Für 2026 plant Saarbrücken eine Neuverschuldung von 68 Millionen Euro. Ohne Grundsteueranpassung wären es 80,3 Millionen Euro. Der Kassenkreditbedarf bis 2029 liegt je nach Szenario bei 318 beziehungsweise 367 Millionen euro.
Nach Darstellung der Stadt zeigt sich damit eine strukturelle kommunale Unterfinanzierung, die die Handlungsfähigkeit der Landeshauptstadt gefährde.
Investitionen in Bildung und Betreuung
Trotz des Finanzdrucks setzt die Stadt im Haushalt Schwerpunkte bei Bildung und Betreuung. Geplant sind Investitionen in moderne Lernbedingungen, zusätzliche Betreuungsplätze und die Stärkung der Bildungsinfrastruktur.
Bildungscampus West, Kita Preußenstraße, Grundschule Güdingen
Der Bildungscampus West ist nach städtischer Darstellung das größte Bildungsprojekt Saarbrückens. Er soll Raum für rund 1.000 Schülerinnen und Schüler schaffen. Bis 2029 beträgt der Finanzierungsbedarf 23,4 Millionen Euro.
Mit dem Neubau der Kita Preußenstraße wird das frühkindliche Betreuungsangebot in einem wachsenden Stadtteil erweitert. Die Gesamtkosten liegen bei 8,2 Millionen Euro.
Die Generalsanierung der Grundschule Güdingen ist mit Gesamtkosten von 11,2 Millionen euro veranschlagt. Sie soll die Lernbedingungen verbessern und moderne Räume für Kinder und Lehrkräfte bereitstellen.
Wirtschaftsstandort Saarbrücken und Zuwanderung
Zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts setzt Saarbrücken auf Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Sichtbarkeit und wirtschaftlichen Stabilität.
Convention Bureau, Messeauftritt und Gewerbesteuer
Ein neu eingerichtetes Convention Bureau soll Saarbrücken als Kongress- und Tagungsstandort stärken. Im Haushalt 2026 sind hierfür 50.000 Euro vorgesehen.
Für die Präsenz auf der Immobilienmesse Expo real veranschlagt die Stadt ebenfalls 50.000 Euro. Die Messebeteiligung dient der Vertiefung von Investorenkontakten und der Nutzung von Standortchancen.
Der Gewerbesteuerhebesatz soll stabil bleiben. Die Stadt verweist dabei auf die Bedeutung von Planungssicherheit für Unternehmen.
Zuwanderung und Haus des Ankommens
Nach Darstellung der Stadt stabilisiert Zuwanderung den Arbeitsmarkt und stärkt die Vielfalt Saarbrückens. Das „Haus des Ankommens“ fungiert als zentrale Anlaufstelle für Neuankommende.Für die Weiterführung der Einrichtung plant die Stadt 150.000 Euro als Beitrag im Haushalt ein.
Kulturangebote als Standortfaktor
Die Stadt hält an ihrem kulturellen Angebot fest. Trotz steigender Kosten sollen zentrale einrichtungen und Veranstaltungen gesichert werden.
Filmhaus und kulturelle Einrichtungen
Für das Filmhaus ist ein Zuschuss von rund 550.000 Euro vorgesehen, um den Betrieb als Film- und Kulturstandort sicherzustellen.
Für kulturelle Einrichtungen und Großveranstaltungen werden knapp 6 Millionen Euro eingeplant. Damit soll das kulturelle Angebot aufrechterhalten werden.
Städtebauliche Großprojekte: Superbrücken und Alte Brücke
Saarbrücken führt mehrere Großprojekte fort, die den städtebaulichen Wandel prägen und neue Räume für Mobilität, Kultur und Begegnung schaffen sollen.
Superbrücken/CCC und Aufwertung der Alten Brücke
Das Projekt Superbrücken/CCC ist als neuer kultureller und architektonischer Ankerpunkt geplant. Der städtische Anteil am Gesamtprojekt beträgt rund 30,4 Millionen euro.
Die historische Alte Brücke wird im Rahmen eines weiteren Projekts modernisiert und aufgewertet. der städtische anteil beläuft sich auf rund 8,3 Millionen Euro.
Sozialer Zusammenhalt und Gemeinwesenarbeit
Zur Sicherung sozialer Stabilität setzt die Stadt auf kontinuierliche Förderung der Gemeinwesenarbeit. Mit rund 3 Millionen Euro sollen beratung, Begegnung und Prävention in allen Stadtteilen unterstützt werden.
Klimaschutz, Klimaanpassung und Nachhaltigkeit
Klimaschutz und klimawandelanpassung sind zentrale Themen im Haushalt. Die stadt verweist auf mehrere strategische und operative Maßnahmen.
kommunale Wärmeplanung, Begrünung und Stadtumbau
Mit der kommunalen Wärmeplanung und einem Klimaschutzkonzept schafft Saarbrücken eine strategische Grundlage für eine klimaneutrale Stadtentwicklung.
private Begrünungsmaßnahmen werden mit 50.000 Euro gefördert, um klimaresiliente Begrünung im privaten Bereich zu unterstützen.
Projekte zum natürlichen Klimaschutz, etwa im Gebiet „In der Itsch“, sowie ein klimaangepasster Stadtumbau sollen Klimaresilienz, Biodiversität und Aufenthaltsqualität verbessern.
Die Stadt vertritt die Auffassung, dass Klimaschutz und Klimawandelanpassung faktische pflichtaufgaben sind, die künftig von Bund und Land finanziert werden müssten.
Katastrophenschutz und Gesundheitsversorgung
Im Bereich Katastrophenschutz plant Saarbrücken eine Stärkung von Ausstattung und Resilienz. Gleichzeitig übernimmt die Stadt nach eigener Darstellung Aufgaben in der Gesundheitsversorgung.
Feuerwehr und Schutzkleidung
Für die Feuerwehr werden neue Geräte und Fahrzeuge angeschafft, um Schutz und Einsatzfähigkeit zu erhöhen. Ein Schutzkleidungskonzept bis 2029 ist mit 840.000 Euro hinterlegt und soll die Sicherheit der Einsatzkräfte verbessern.
Klinikum Saarbrücken
Zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung unterstützt die Stadt das Klinikum Saarbrücken weiterhin mit städtischen Mitteln.Für 2026 sind 15,4 Millionen Euro veranschlagt, um den Betrieb und die medizinische Versorgung zu sichern.
Haushaltsregeln, Saarlandpakt und drohende Fehlbeträge
Die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts 2026 beruht auf gelockerten Vorgaben des Landes. Das Saarland hat den üblichen Haushaltsausgleich bis 2065 ausgesetzt.Stattdessen gelten die Regeln des Saarlandpakts.
Der Saarlandpakt verlangt einen strukturell zahlungsbezogen ausgeglichenen Haushalt, allerdings auf Basis einer Modellentwicklung. Dabei wird etwa ein jährlicher Anstieg der Regionalverbandsumlage um zwei Prozent unterstellt. Tatsächlich steigt sie für Saarbrücken jedoch um 15 Prozent.
Kassenkredite müssen nach den Vorgaben des Landes über 45 Jahre nach Annuität getilgt werden.Saarbrücken hat nach Angaben der Stadt ab 2020 überproportional getilgt und profitiert dadurch heute noch. Der Haushalt 2026 ist trotz Defizit und einer Kassenkreditaufnahme von 50,8 beziehungsweise 63 Millionen Euro noch genehmigungsfähig.
Ab 2027 sei dieser Puffer jedoch aufgebraucht. Dann entstehe erstmals ein zahlungsbezogener Fehlbetrag. Aus heutiger Sicht werde ab 2028 ein struktureller fehlbetrag erwartet, der zur Nicht-Genehmigungsfähigkeit des Haushalts führen würde. Ohne grundsteueranpassung läge dieser Fehlbetrag bei 23,1 Millionen Euro.
Konsolidierung und Grundsteueranpassung
Zur Sicherung der Handlungsfähigkeit hält die Stadt weitere Konsolidierungsmaßnahmen für notwendig. Bereits 2022 legte die Verwaltung ein umfassendes Konsolidierungskonzept vor. Teile davon wurden umgesetzt, zentrale Bausteine, insbesondere die Grundsteueranpassung, jedoch abgelehnt.
Mit der nun vorgesehenen Anpassung läge die durchschnittliche Grundsteuerbelastung eines Wohnobjekts nach städtischen Angaben bei 589 Euro pro Jahr. Dies entspräche in etwa dem Niveau von Städten wie Hannover oder Bielefeld. Gewerbebetriebe wären im Durchschnitt trotz Anpassung weiter auf dem Niveau von vor der Grundsteuerreform belastet.
Bereits umgesetzt wurden zusätzliche Maßnahmen im Umfang von 1,1 Millionen Euro. Für 2026 plant die Stadt eine pauschale Einsparvorgabe von 5 Prozent der amtsbudgets, ausgenommen sind zentrale und Zuschussbudgets. Ein Konsolidierungsbeirat soll zukünftige Maßnahmen prüfen und priorisieren.
Appell an Bund und Länder: Acht forderungen
Oberbürgermeister Uwe Conradt und Bürgermeisterin Barbara Meyer richten einen Acht-Punkte-Appell an Bund und Länder zur Bewältigung der kommunalen Finanzlage.
Schnelle Lösungen, Finanzausstattung und Verschuldung
Sie fordern eine schnelle Lösung für die kommunale Finanzkrise. Bund und Länder müssten kurzfristige Maßnahmen ergreifen und dürften nicht auf Ergebnisse von expertenkommissionen verweisen. Grundsatzfragen zur Finanzarchitektur und zur Finanzierung von Sozialausgaben und sozialstandards könnten im Nachgang geklärt werden.
Kommunen bräuchten eine angemessene Finanzausstattung, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Verfassungsrechtlich liege hierfür die Verantwortung beim Land. Solange sich die Reform des kommunalen Finanzausgleichs hinziehe, müsse das Land für 2026 eine Übergangslösung schaffen.
Ausgeweitete Verschuldungsmöglichkeiten für Kommunen sehen Conradt und Meyer nicht als nachhaltige Lösung, insbesondere nicht für bereits hoch verschuldete Städte. Andernfalls werde sich die Schuldenspirale weiterdrehen und finanzschwache Kommunen würden abgehängt.
Finanzierung von Sozialaufgaben, Klimaschutz und Krankenhäusern
Bund und Land müssten nach Darstellung der Stadt die von ihnen beschlossenen Leistungen vollständig finanzieren. Dies betreffe insbesondere Rechtsansprüche auf Kita- und Ganztagsschulangebote sowie Steuerentlastungen, die zu Mindereinnahmen bei kommunen führten.
Klimaschutz und Klimawandelanpassung werden als faktische Pflichtaufgaben bezeichnet. Bund und Länder sollten hierfür eine Finanzierung über eine neue Gemeinschaftsaufgabe sicherstellen.
Im Bereich der Krankenhausfinanzierung verweisen Conradt und Meyer auf gesetzliche Verpflichtungen von Bund und Land.Es könne nicht Aufgabe der Kommunen sein, mit Mitteln aus dem städtischen Haushalt die Gesundheitsversorgung zu garantieren.
Gleichwertige Lebensverhältnisse und Altschulden
Abschließend heben sie die Bedeutung der gleichwertigen Lebensverhältnisse hervor. Die kommunale Finanzkrise betreffe alle Kommunen, die not sei jedoch bei finanzschwachen Städten am größten. Die überfällige Übernahme kommunaler Altschulden durch den Bund wird als Gebot gleichwertiger Lebensverhältnisse und als Folge der bisherigen verletzung des Konnexitätsprinzips bezeichnet, die sich in kommunalen Altschulden niedergeschlagen habe.
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