Der von der Bundesregierung vorgeschlagene Entwurf zur Aktivrente sieht vor, dass Rentnerinnen und Rentner bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei hinzuverdienen können. Bei genauerer betrachtung werden jedoch verschiedene Kritikpunkte deutlich.
Hohe Kosten für den Staatshaushalt
Schätzungen zufolge könnten dem Staat durch die Aktivrente erhebliche Einnahmeausfälle entstehen. Diese werden auf mehrere hundert Millionen bis fast drei Milliarden Euro pro Jahr beziffert, abhängig davon, ob auch Selbstständige einbezogen werden. Das Bundesfinanzministerium rechnet mit mindereinnahmen von 620 Millionen Euro jährlich ohne Selbstständige. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schätzt 770 Millionen Euro ohne Selbstständige und bis zu 1,5 Milliarden Euro mit Selbstständigen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) geht von 1,4 milliarden Euro ohne und bis zu 2,8 Milliarden Euro mit Selbstständigen aus.
Zusätzliche steuereinnahmen durch eine höhere Beschäftigung, die diese Mindereinnahmen ausgleichen könnten, gelten als unsicher. Thomas Otto, Hauptgeschäftsführer der Arbeitskammer des Saarlandes, kritisiert, dass die bundesregierung die Aktivrente rechnerisch schönrede, obwohl dem Staat erhebliche Kosten entstünden. Er betont, dass dem Fachkräftemangel eher durch bessere Arbeitsbedingungen begegnet werden könne, damit mehr Beschäftigte das gesetzliche Renteneintrittsalter gesund erreichen. Dies würde auch die finanzielle Basis der gesetzlichen Rentenversicherung stärken.
Soziale Gerechtigkeit
Von der Aktivrente profitieren vor allem Besserverdienende,da sie einen höheren Steuersatz zahlen und somit stärker entlastet werden. Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Alter stammen überdurchschnittlich häufig aus höheren Einkommensgruppen. Ältere Minijobberinnen und minijobber mit geringen Renten profitieren hingegen nicht, da ihr Einkommen ohnehin steuerfrei ist.
Otto betont, dass die Aktivrente sozial ungerecht sei. Wer im Alter arbeiten müsse, um eine kleine Rente aufzustocken, habe keinen Vorteil. Wer hingegen viel verdiene, spare jährlich mehrere tausend Euro an Steuern.
Rechtliche Aspekte
Der aktuelle Gesetzentwurf beschränkt die Aktivrente auf abhängig Beschäftigte. Selbstständige sind ausgeschlossen,was rechtliche Bedenken hinsichtlich des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung aufwirft. Eine Ausweitung auf Selbstständige würde die Kosten für den Staatshaushalt weiter erhöhen, auf bis zu 2,8 milliarden Euro jährlich.
Otto warnt, dass die Regierung damit rechtliche Auseinandersetzungen riskiere. Entweder bleibe die Regelung ungerecht oder sie werde noch teurer.
Folgen für den Ruhestand
Die Aktivrente setzt auf die weitere Normalisierung von Arbeit im Ruhestand, anstatt für eine solide soziale Absicherung im Alter zu sorgen. Die Regelaltersgrenze wird zwar nicht angehoben,aber faktisch aufgeweicht. Für viele Geringverdienende ist das Weiterarbeiten im Rentenalter bereits heute keine freiwillige Entscheidung, sondern eine finanzielle Notwendigkeit.
Otto betont, dass die Politik Arbeit im Alter zur Norm mache, anstatt die Renten zu stärken. Viele Menschen müssten aus finanziellen Gründen weiterarbeiten, weil die Rente nicht ausreiche.
Abschließend fordert Otto eine Stärkung der gesetzlichen rente, damit Menschen ihren Ruhestand in Würde genießen können und nicht aus finanzieller Not arbeiten müssen.